Die Krise und der Kapitalismus

 

1931: Die Krise und der Kapitalismus

28.06.2013 | 17:43 |  von Ludwig Mises (Die Presse)

Analyse. Ja, das System hat versagt. Aber nicht etwa der Kapitalismus. Unser System ist schon lange nicht mehr liberal und kapitalistisch. Versagt haben der Staatsinterventionismus, der Sozialismus und die Planwirtschaft.

 

[17. Oktober 1931] Nahezu allgemein wird behauptet, die schwere Wirtschaftskrise, unter der die Welt gegenwärtig leidet, hätte den Beweis für die Unmöglichkeit des Festhaltens am kapitalistischen System erbracht. Der Kapitalismus, meint man, habe versagt und man müsse an seine Stelle ein besseres System treten lassen, das wohl kein anderes sein könne als das des Sozialismus.

Dass das gegenwärtig herrschende System versagt hat, kann wohl niemand bestreiten. Doch eine andere Frage ist es, ob dieses System, das versagt hat, das kapitalistische System gewesen ist oder ob nicht gerade die antikapitalistische Politik, Interventionismus und Staats- und Kommunalsozialismus an der Katastrophe Schuld tragen. Das kapitalistische System ist das System einer arbeitteilenden, auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaftsordnung.

Als Regulator der Produktion fungiert im kapitalistischen System der Markt. Die Preisbildung des Marktes entscheidet darüber, was, wie und in welchem Umfang produziert werden soll. Durch die Gestaltung der Warenpreise, Arbeitslöhne und Zinssätze bringt der Markt Nachfrage und Angebot zur Deckung, sorgt dafür, dass jeder Produktionszweig so stark besetzt werde, als dem Umfang und der Intensität der wirksamen Nachfrage entspricht.

So empfängt die kapitalistische Produktion ihren Sinn vom Markt aus. Wohl kann vorübergehend ein Missverhältnis zwischen Produktion und Bedarf eintreten, doch die Gestaltung der Marktpreise sorgt dafür, dass das Gleichgewicht in kurzer Zeit wieder hergestellt wird.

Nur wenn man den Mechanismus des Marktes durch Eingriffe von außen her stört, wenn man die Auswirkung der Marktpreise auf die Regelung der Produktion unterbindet, werden Störungen ausgelöst, die nicht mehr durch die selbsttätige Reaktion des Marktes behoben werden können; Störungen, die nicht vorübergehen, sondern andauern. Seit zwei Menschenaltern ist nun die Politik der europäischen Staaten auf nichts anderes gerichtet als darauf, die Funktion des Marktes als Regulator der Produktion zu unterbinden und auszuschalten. Durch Zölle und handelspolitische Maßnahmen anderer Art, durch gesetzliche Gebote und Verbote, durch Subventionierung wettbewerbsunfähiger Unternehmungen und durch Unterdrückung oder Drosselung von Betrieben, die den Schoßkindern der Regierung unliebsame Konkurrenz bereiten, durch Regelung von Preissätzen und Löhnen wird der Versuch unternommen, die Produktion auf Wege zu drängen, die sie sonst nicht betreten hätte.

Unter dem Schutz der Zölle, die die Einheit des Weltmarktes zerreißen, wird die Produktion von den günstigsten Standorten abgelenkt; Kartelle entstehen, die darauf ausgehen, auch minder leistungsfähige Betriebe zu erhalten, und deren Aufbau nur zu oft dahin führt, dass die Investitionstätigkeit in falsche Bahnen geleitet wird.

„Schon lange nicht mehr liberal“

Die schwere Wirtschaftskrise ist nicht unerwartet gekommen. Dass die interventionistische Politik zu diesem Ergebnis führen müsse, ist von der Nationalökonomie vorausgesagt worden. Die interventionistische und die sozialistische Wirtschaftspolitik haben sich dadurch in der Verfolgung ihrer Ziele freilich nicht aufhalten lassen; sie waren in ihrer naiven Verkennung der wirtschaftlichen Zusammenhänge jedesmal stolz darauf, wenn es ihnen gelungen war, eine ihrer Forderungen durchzusetzen; und sahen nicht, welchen Katastrophen ihre Politik zusteuerte.

Unsere Wirtschaft ist schon lange nicht mehr liberal und kapitalistisch. Nicht noch mehr Staatseingriffe, Sozialismus, Planwirtschaft, Staatskapitalismus können uns helfen, sondern allein die Einsicht, dass eine Hebung der Lebenshaltung nur durch mehr Arbeit und durch Bildung von neuem Kapital bewirkt werden kann. Das aber heißt, dass wir die antikapitalistische Politik, die in Europa seit Jahrzehnten herrscht, aufgeben müssen. Kein anderer „Plan“ vermag aus der Krise hinauszuführen.

Ludwig von Mises (1881–1973) schrieb während der „großen Krise“ regelmäßig für die „Neue Freie Presse“, das adelige „von“ wurde von der bürgerlichen Zeitung stets ignoriert.

 

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Staat gegen Markt: Die Geschichte wiederholt sich

28.06.2013 | 17:48 |  Von Nikolaus Jilch (Die Presse)

Dieser erste Satz! Man könnte ihn 2013 wieder nutzen. Und Mises würde wohl auch ähnlich schreiben. Denn die Probleme, die staatliche Eingriffe in die Wirtschaft verursachen, sind nicht kleiner geworden. Unverändert ist auch die Mainstream-Meinung, die stets dem „Markt“ die Schuld gibt und „mehr Staat“ fordert. Mises warnte damals eindringlich vor den dunklen Mächten der braunen und roten Antikapitalisten. Ohne Erfolg. Er musste vor den Nazis aus Wien flüchten. Es folgte der „totale Staat“ – und dann der „totale Krieg“. Ludwig von Mises kehrte nie zurück, er starb 1973 in New York.

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