Wer ist verantwortlich ?

Vorweg  es wird überraschen  ............

Die Banken sind unschuldig!

| Michael Hörl, 10. Oktober 2011 18:37

Läuft jemand, der gerade jetzt für so einen "Freispruch" plädiert, nicht Gefahr, als Sonderling abgestempelt zu werden, der die Realität auf den Kopf stellt?
Die Geldinstitute haben die Eurokrise nicht verschuldet. Vom Gegenteil weiß bekanntermaßen Europas Mainstream, eine Finanztransaktionssteuer wäre da nur recht und billig. Jean- Claude Trichet, scheidender Präsident der EZB, gab sich bei seinem Abgang kryptisch: "Es lag an der Fiskalpolitik europäischer Nationalstaaten." Man könnte es aber auch etwas unverblümter formulieren: Europas Regierungen gewannen Wahlen mit dem Ausbau des Sozialsystems - auf Pump.
Zur Illustration: Drei Prozent von Österreichs Schulden gehen auf das Konto der Bankenstützung. Im Gegensatz zu den 97 %, die zur Subventionierung unseres Lebensstandards aufgenommen wurden, werden sie allerdings zurückbezahlt. Bis dahin bereichert sich der Staat mit 100 Millionen Zinserlösen jährlich an den Sündenböcken.

Rückblende: Nationalratswahl 2008. Vor der Wahl versprach die SPÖ den Ausbau des Sozialstaates ("Anti-Teuerungspaket"). Mit Geld, das man nicht hatte. Nach der (gewonnenen) Wahl fand man eben dies heraus und nahm neue Schulden auf. - Mit diesem "System Kreisky" gewinnt in Europa seit den 1970ern immer der die Wahl, der sich die meisten Sozialleistungen ausdenkt, um diese dann nach der Wahl mit Krediten zu bezahlen. Ohne die alten freilich je zu tilgen.

Wohlfahrt auf Pump

Keine Bank und auch kein Spekulant haben auch nur einen Cent von Europas Schuldenberg aufgenommen. Es waren seine Bürger, die sich einen Lebensstandard herbeiwählten, den die eigenen realen Verhältnisse nicht ermöglicht hätten.

So ging man etwa immer früher in Pension, und immer mehr Menschen bekamen immer höhere Pensionen. Selbst die, die nie auch nur einen Groschen einbezahlt hatten. 23 Milliarden Euro bezahlt Österreich für Zinsen und die Subvention der Rentner heute, 10 Milliarden Euro pumpt es sich dafür von Banken neu, jährlich. Das entspricht 100 Abfangjägern, auch jährlich.

Ein Häuslbauer ist nach 20 Jahren schuldenfrei, weil er monatlich die Schulden tilgt. Europas "Wohlfahrtsmodell auf Pump" hingegen nimmt zu den alten Schulden jährlich neue auf - ohne von den alten de facto jemals auch nur einen Cent zu tilgen.

1971 gewann Kreisky die Nationalratswahl mit dem Versprechen, bei einem Sieg der SPÖ eine Heiratsbeihilfe von (damals unvorstellbaren) 15.000 Schilling auszuzahlen. Der Schuldenkanzler gewann die Absolute. Um sein Versprechen einzulösen, nahm man ab 1972 fast eine Milliarde Schilling zusätzlicher neuer Schulden auf, in Form von Anleihen. Wenn es "10-jährige Anleihen" waren, wären sie 1982 zu tilgen gewesen (bei 5 % Zinsen jährlich). Wären - denn am Stichtag 1982 nahm die Republik dann neue Anleihen über eine Milliarde Schilling auf - und "tilgte" damit die alten von 1972. Die neuen aber liefen wieder auf 10 Jahre, von 1982 bis 1992. Und wieder fielen jährlich 5 % an Zinsen an. 1992 dann dasselbe Spiel: Mit der neuen Anleihe "tilgte" man die alte. So auch 2002. Und 2012, 2022 ...

Sollte es unsere kleine Republik auch 100 Jahre nach dem Kreisky-Sieg noch geben, dann hat sie - nur um die eine Wahl von 1972 zu gewinnen - im Jahr 2072 dafür 100 Jahre lang jährlich 5 % an Zinsen bezahlt. Insgesamt also ........



So ging es in ganz Europa. Griechenlands Sozialisten regierten ab 1981 fast ununterbrochen. Alle vier Jahre nahm man 50.000 Menschen vorübergehend in den Staatsdienst auf - mit dem Versprechen, sie im Fall eines Wahlsieges fix anzustellen. Jeder vierte Grieche verbringt seinen Tag heute in einer Amtsstube. Den Eisenbahnern versprach man (vor Wahlen) 400 Euro monatlich, wenn sie sich die Hände wuschen und den Busfahrern 300 Euro, wenn sie pünktlich zur Arbeit kämen. Der Erfindungsreichtum europäischer "Sozialpolitiker" kannte keine Grenzen.

Vom Geschäft mit den Schulden hätten Banken doch sehr wohl profitiert. Richtig. So wie etwa auch Schuster oder Badewannenproduzenten. Wenn Regierungen billig Geld ins Lande streuen, dann lässt dies alle Umsätze einer Volkswirtschaft ansteigen. Solche von Unternehmen, die mit Geld handeln (wie Banken), genauso wie solche, die dies mit Schuhen tun.

Die "staatlich organisierte Geldschwemme" lässt die Kassen vieler Firmen klingeln, doch macht sie das noch lange nicht zu Verursachern der Finanzkrise. Außerdem leben Banken von Schuldnern, die bezahlen und nicht von solchen, die ihnen die Existenz kosten.

Kontraproduktive "Strafe"

Die ganze Welt weiß, dass Finanztransaktionssteuern Finanzgeschäfte nur verlagern, aber nicht verhindern. Die ganze Welt? In Europa plagt einige Politiker das schlechte Gewissen und so lenken sie die Schuld auf andere. Zur "Strafe" sollen die nun neue Steuern zahlen.

Schweden führte 1984 eine Finanztransaktionssteuer auf Aktien ein. Prompt gingen die Kurse in den Keller, der halbe Börsenhandel wanderte nach London ab. Von erträumten 1.500 Millionen Kronen blieben ganze 50.

Eine europäische Finanztransaktionssteuer würde mit ihrer geringen Höhe von 0,1 % auf Geldgeschäfte große Spekulationsdeals auch in keinster Weise beeinflussen: Ob ein Spekulant dann etwa statt 50 nur 49,9 Prozent Profit macht, bleibt ohne Belang.

Micro-Steuern bringen Geld nur da, wo eine hohe Frequenz auf kleine und mittlere Beträge trifft. Wie etwa beim Zahlungsverkehr. Und so wird die neue Steuer wohl nur die Kontogebühren von Europas Konsumenten steigern. Und das zu Recht.

Denn es war die reine Selbstsucht, die drei Generationen dazu trieb, mit ihrer ungezügelten Schuldenmacherei die Zukunft der eigenen Kinder und Enkel zu verbauen. Es war die Gier nach einem besseren Leben, ohne Rücksicht auf Verluste. Heute steht man vor dem Scherbenhaufen und schiebt die Schuld anderen zu - den Banken etwa. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.10.2011)

Michael Hörl, Jg. 1969, Wirtschaftspädagoge und Publizist in Salzburg, hat seine hier vertretenen Thesen vor kurzem auch in Buchform veröffentlicht: "Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute".

Quelle